John Gerrard
Western Flag (Spindletop, Texas), 2017
8. – 15. September 2019, 24/7 – Tag und Nacht
Hamburger Rathausmarkt
Eröffnung: 8. September 2019, 17.30 Uhr
mit dem Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda
und dem Künstler
Ein schmaler Masten mit großer schwarzer Rauchfahne steht in einer weiten Landschaft. Spindletop in Texas, war 1901 der Schauplatz des weltweit ersten großen Ölbooms und gab den Startschuss für die Ölindustrie des 20. Jahrhunderts. Gerrards digitales Bild zeigt die post-industrielle Gegend heute – ausgebeutet, verlassen bis auf ein paar Maschinenreste und öde. Der Rauch bewegt sich unter dem Druck von sieben Düsen als großes Rechteck im Wind. Der Blick umkreist den Masten auf ewig langsam. Das Licht folgt der Tages- und Nachtzeit in Texas, sieben Stunden nach der Hamburg-Zeit. Das Werk wird auf einem gigantischen LED-Bildschirm gezeigt.
Gerrards ursprüngliche Frage galt dem Kohlendioxid: wie lässt sich das unsichtbare Gas darstellen, das durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe in der Erdatmosphäre auf lange Zeit eingelagert ist und gravierende Klimawandel-Ereignisse verursacht?
„Eine der größten Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts ist nicht nur die Bevölkerungsexplosion oder bessere Lebensstandards, sondern der immens ansteigende Kohlendioxidausstoß in die Erdatmosphäre. Eine neue Fahne versucht, für dieses unsichtbare Gas, diese weltweite Gefahr, ein Bild zu finden, eine Möglichkeit, sich selbst zu repräsentieren. Ich betrachte diese Fahne als eine Art neue Weltordnung.“ John Gerrard
„Western Flag“ wirkt real. Ein jährlicher Sonnenlauf wird gezeigt mit Lichtverhältnissen, die Nachts wie Tags dem Jahreswandel und sogar dem astronomisch korrekten Sternenstand genau entsprechen. Das Werk ist aber weder ein Video noch ein Film. Es existiert kein Mast mit Rauchfahne in Spindletop – und doch ist der Sonnenlauf im Bild der Gleiche wie in Texas. Das Werk wurde auf Grundlage von ausführlichen Recherchen und Dokumentarfotografien mit Hilfe einer Game Engine für Computerspiele als digitale Live-Simulation generiert. Wir sehen einen in Echtzeit rechnenden Algorithmus für visuelle Darstellung. Es gibt noch nicht einmal eine Kamera, die das Abbild einer vorhergehenden Wirklichkeit reproduzieren würde, sondern nur die Perspektive des Betrachters, der ein Bild sieht, das bei einer Geschwindigkeit von 50 Bildern pro Sekunde umgehend durch das nachfolgende Bild ersetzt wird. Das Werk verbreitet die ultimative Präsenz des Bildes in konstanter Bewegung. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Simulation verschmelzen bis fast zur Unkenntlichkeit. Das sind die technischen Voraussetzungen der "Western Flag", die eines der drängendsten Probleme unserer Zivilisation repräsentiert – den Klimawandel und die globale Erderwärmung im Anthropozän.
Die Welt, die wir in Gerrards “Global Image” sehen, erscheint unheimlich und wie ein Abgesang auf die industrielle Eroberung und Ausbeutung des Planeten. Kunst kann das aufzeigen und das Denken beeinflussen – aber nur das Politische, die kollektive Verantwortung, kann eingreifen und verändern.
Historische Aufnahmen von Spindletop, Texas, 1901