Indigenuität
Ein Kofferwort, das „Indigenität“ mit „Genialität“ (Einfallsreichtum) verbindet. „Indigenuität“ (englisch: Indigenuity) bezeichnet praktische Innovationen, die auf dem generationenübergreifenden Austausch von Wissen indigener Völker basieren und tief mit geografischen Räumen sowie der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Mensch und Umwelt verbunden sind. Indigenuität steht im Gegensatz zu technokratischen Innovationsformen, die Probleme auf eingeschränkte und unmittelbare Weise verstehen und Technologie als universelle Antwort auf eine Vielzahl von Herausforderungen anbieten (selbst wenn diese sozialer, politischer oder ökologischer Natur sind). Daniel R. Wildcat – indigener Gelehrter und Umweltaktivist – beschreibt Indigenuität als „verwandtschaftszentriert“ im Gegensatz zu anthropozentrisch. Innovationen werden dabei als Ko-Kreation zwischen Menschen, Pflanzen, Mineralien, Tieren und anderen „Stoffen“ der Erde verstanden. Die Zeitlichkeit der Indigenuität unterscheidet sich radikal von der linearen, zukunftsorientierten Perspektive westlicher Kulturen; sie berücksichtigt die Weitergabe von Wissen und Verantwortlichkeiten zwischen Ahnen und Nachkommen bei der Entwicklung von Innovationen, die die Biosphäre bereichern, statt sie zu beeinträchtigen.
Im Widerspruch zum westlichen „Fortschritt“, der oft auf Kosten der Umwelt geht, bietet Indigenuität eine kritische, alternative Perspektive. Diese betrachtet die Welt als „bevölkert von Verwandten, nicht Ressourcen“, wobei „unveräußerliche Rechte hohl bleiben, sofern sie nicht mit unveräußerlichen Verantwortlichkeiten verbunden sind“. Daniel R. Wildcat beschreibt diese Perspektive als einen Weg zur Überwindung unserer „verkapselten Ignoranz“, die menschlichen Komfort privilegiert und dabei die langfristigen Auswirkungen auf die Bewohnbarkeit einer gemeinsamen Umwelt ignoriert. Indigenuität fordert eine Neuformulierung von Fortschrittsideen – jenseits von Bequemlichkeit und Kapitalwachstum – hin zur „Förderung von Systemen der Lebenssteigerung“, verstanden in menschlichen und mehr-als-menschlichen Begriffen. Angesichts des anthropogenen Klimakollapses ist Indigenuität nicht nur eine Neubewertung der überlieferten Weisheit indigener Völker, sondern positioniert sich als notwendige Perspektive bei der Bewältigung der dringenden planetarischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Autorin: Patricia Reed