Glossar

Interskalares Vehikel

Planetarisches Erkennen erfordert eine Neubewertung langjähriger disziplinärer Konventionen und Denkmethoden, die nicht allein durch „Transdisziplinarität“ erfasst werden können. Wie manifestiert sich planetarische Verständlichkeit in Untersuchungsverfahren, und wie lässt sich vermeiden, das Planetarische nur auf eine verallgemeinernde, distanzierte Weise zu „sehen“, ohne dessen Ursachen zu entpolitisieren?

Auf der Suche nach einer Lokalisierung und Auseinandersetzung mit den geopolitischen Dimensionen des Anthropozäns hat die Anthropologin Gabrielle Hecht einen interskalaren Ansatz entwickelt, um „neue Narrative [...] und Wissensformen“ anzuregen, die dem planetarischen Denken angemessen sind. Drei leitende Überlegungen untermauern ihre Methode: 1) Das Konzept der Skala soll als analytischer und politischer Anspruch behandelt werden. 2) Der Einstieg ins Anthropozän erfolgt über den Abfall, da dieser die Auswirkungen menschlicher Aktivität sichtbar macht (in Plutoniumablagerungen, CO₂-Konzentrationen usw.).3) Es geht um die „Verortung des Anthropozäns“, also spezifische Standorte (mit ihren besonderen Geschichten) als Ausgangspunkte für das Nachdenken über das Anthropozän.Besonders wichtig ist, dass Hechts Methode andere Darstellungstechniken und Logiken für die Erzählung des Anthropozäns jenseits von Diagrammen, Schaubildern und statistischen Visualisierungen bietet.

Um eine solche Analyse durchzuführen, wird ein interskalares Vehikel eingeführt. Es sind Objekte, die es ermöglichen, sich durch tiefe und menschliche Zeit, durch geologischen und politischen Raum zu bewegen. Ein uranhaltiger Stein dient Hecht als Bespiel, um von den Uranminen im Gabun nach Frankreich zu reisen (wo das gabunische Uran das nationale Atomprogramm speiste), bis nach Japan (wo emotionale Erfahrung und wissenschaftliche Analyse der Atombombe miteinander verknüpft werden), während sie gleichzeitig die Kapitalbewertung/Entwertung, die lange Geschichte von Abfall, die kolonialen Arbeitsbedingungen sowie die aktuellen wirtschaftlichen und medizinischen Realitäten nach der „langsamen Gewalt“ der mit den „Materialien der Moderne“ verbundenen Unweltgefahren und der nun radioaktiven Heime der ehemaligen Bergleute nachzeichnet. Mit anderen Worten: Ein explizit lokales, greifbares Objekt enthält das Planetares in sich, in wirtschaftlichen, sozialen, materiellen, technologischen, ökologischen, metabolischen und geopolitischen Begriffen. Ein interskalares Vehikel ermöglicht ein Denken mit dem Anthropozän, das unsere Sicht auf Zeit und Raum erweitert, ohne die Vielfalt der planetarischen Erfahrungen zu vereinheitlichen oder zu entwurzeln – weder in der Vergangenheit noch in möglichen zukünftigen Szenarien.

Autorin: Patricia Reed