Glossar

Nicht-menschliches Gattungswesen

Für Marx bezeichnet „Gattungswesen“ eine Form der menschlichen Selbstwahrnehmung, die durch die Gesamtheit der sozialen Beziehungen geprägt ist, in die wir historisch eingebettet sind. Im Gegensatz zu starren Vorstellungen von der menschlichen Natur – wie etwa Thomas Hobbes’ Annahme angeborener Gier – ist das Gattungswesen wandelbar und wird durch soziale Bedingungen geformt. Marx versteht es sowohl sinnlich als auch intellektuell und sieht es bestimmt durch die Organisation des sozialen Lebens unter spezifischen historisch-materiellen Produktionsbedingungen. Nach Marx unterscheiden sich Menschen von Tieren, die ebenfalls ihre individuellen Bedürfnisse befriedigen, durch ihre bewusste Absicht, „sobald sie beginnen, ihre Subsistenzmittel zu produzieren“. Die menschliche Fähigkeit, die eigene Gattungszugehörigkeit zum Gegenstand der Sinne zu machen, deutet auf ein relationales Verständnis voneinander als materielle Produzenten hin. Dies „vergesellschaftet“ die Individualität, wobei es weniger um „sich selbst“ geht, sondern vielmehr um das Sein-mit-anderen. Aufgrund der Selbstschaffung sozialer und materieller Umgebungen durch Menschen, die Verkörperungen historischer Produktionsweisen sind, warnt Marx vor der Tendenz, solche Ideen in „ewige Naturgesetze“ zu verwandeln. In seiner Kritik an kapitalistischen Produktionsweisen betont Marx, dass der Mensch sich von seinem kollektiven Gattungswesen entfremdet hat, ebenso wie von den Produkten seiner Arbeit, was zur weiteren Folge hat, dass wir uns voneinander entfremden. Gattungswesen bezeichnet somit die bewusste Wandelbarkeit unserer Selbstauffassung als Menschheit, die über die bloße Erfüllung individueller Bedürfnisse hinausgeht und auf die Überwindung solcher Entfremdungszustände abzielt.

Das Erbe des Gattungswesens aus dem frühen Kapitalismus wirkt bis heute nach, da produktionsgetriebene Systeme wesentlich zur Klimakrise beitragen und sowohl menschliches als auch nicht-menschliches Leben bedrohen. Während planetarisches Denken die Wechselbeziehungen zwischen Arten hervorhebt, wird es zunehmend notwendig, das Konzept des Gattungswesens über seine anthropozentrischen Ursprünge hinaus neu zu denken. Die Wissenschaftler:innen Hannah Fair und Matthew McMullen argumentieren, dass eine Erweiterung des Arbeitsbegriffs auf nicht-menschliche Akteure uns helfen kann, Entfremdung umfassender zu verstehen. Indem wir das Gattungswesen in einen planetarischen Rahmen stellen, können die gemeinsamen materiellen Kämpfe von Menschen und Nicht-menschen sichtbar gemacht werden. Dies eröffnet eine erweiterte Perspektive auf Entfremdung und schafft Räume für zwischenartliche Solidaritäten.

Die Erweiterung des Gattungswesens auf nicht-menschliche Arbeit zeigt, wie Tiere und Pflanzen zur Kapitalproduktion beitragen – ähnlich wie der feministische Marxismus die unterbewertete Sorgearbeit hervorgehoben hat, die für die soziale Reproduktion wesentlich ist. Eine rein anthropozentrische Sicht des Gattungswesens verkennt die historischen Beiträge nicht-menschlicher Wesen und begrenzt unser Verständnis des planetarischen Zusammenlebens als gemeinsames Bemühen, lebenswerte Welten zu schaffen. Die Geografin Elizabeth Johnson argumentiert, dass das Gattungswesen schon immer mehr-als-menschlich war, geprägt durch sich entwickelnde Produktionsprozesse und wechselseitige Abhängigkeiten. Nicht-menschliche Akteure haben historisch die Natur gemeinsam mit den Menschen transformiert. Eine planetarische Perspektive fördert die artübergreifende Solidarität, indem sie Arbeit auf die Produktion von Gebrauchswert ausrichtet, anstatt auf Mehrwert, und die Beiträge nicht-menschlicher Wesen anerkennt, ohne dabei Arbeit selbst zu naturalisieren.

Autorin: Patricia Reed