Planetarische Allmende
Raum für eine planetarische Allmende zu schaffen bedeutet, den Mythos zu widerlegen, dass Menschen von Natur aus nicht zur Kooperation fähig sind. Diese Annahme steht im Widerspruch zu einem der meist zitierten „wissenschaftlichen“ Essays des 20. Jahrhunderts, veröffentlicht von einem amerikanischen Biologen: Die Tragik der Allmende (1968). Mit verkürzter malthusianischer „Argumentation“ wird der ökologische „Ruin“ als unvermeidbare Folge dargestellt, wenn Individuen in einer ressourcenknappen Welt ihre Eigeninteressen verfolgen: „Die Freiheit der Allmende bringt allen Verderben.“ In scheinbar sachlicher Darstellung lief die Lösung des Autors zur Vermeidung der „Tragödie“ auf die Befürwortung von Zwangsregulierungen menschlicher „Fortpflanzung“ hinaus und die Privatisierung von Land (und dessen Ressourcen) oder staatliche Kontrolle darüber – als einzig wirksames Mittel gegen die „unvermeidliche“ Degradation. Jenseits ethischer Einwände haben Kritiker darauf hingewiesen, dass das Bild einer „tragischen Allmende“ als System der „unsichtbaren Hand“ und des Laissez-faire schlichtweg falsch ist und jeder historischen, soziologischen und empirischen Grundlage entbehrt. So schrieb ein Kritiker, es sei nicht so sehr die Tragik der Allmende, die hier heraufbeschworen werde, als vielmehr die Tragik der Einhegung.
Während das Bild einer tragischen Allmende in der aufkommenden Umweltdebatte der damaligen Zeit an Bedeutung gewann, hatte die Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom bereits mit ihren ortsspezifischen, empirischen Untersuchungen zu kollaborativen Management-Systemen begonnen, bei denen sie analysierte, wie solche Systeme funktionieren – einige davon haben Jahrhunderte alte Traditionen. Im Rahmen ihrer Studien, die sich auf Praktiken und organisatorische Strukturen des kollaborativen Managements konzentrierten, umfasste ihre Arbeit das Grundwassermanagement in Los Angeles, Schweizer Viehzüchter, japanische Waldbewohner und Bewässerungssysteme auf den Philippinen. Im Gegensatz zu den tragischen Bildern der Allmende hatten diese Gemeinschaften innovative Methoden entwickelt, um Ressourcen auf umweltregenerative Weise zu teilen, wie in ihrem Buch Governing the Commons dokumentiert. Was Ostroms erfolgreiche Gegenbeispiele der Allmende enthüllten, war tatsächlich ein Vorurteil im Bild der tragischen Allmende: ein essentialistisches Bild des „Menschen“, das von Hobbes’ pessimistischer Sicht geprägt ist, wonach „der Mensch [...] dem Menschen ein Wolf [ist]“ (homo homini lupus). Ostroms Forschung mündete in acht Gestaltungsprinzipien für die Verwaltung der Gemeinschaftsgüter: 1) klar definierte Grenzen (wer hat Zugang wozu); 2) Kongruenz zwischen den Nutzungsregeln und den lokalen ökologischen und sozialen Bedingungen; 3) partizipative Entscheidungsfindung; 4) Überwachung und Rechenschaftspflicht; 5) abgestufte Sanktionen für jene, die die Commons missbrauchen; 6) Zugänglichkeit zur Konfliktlösung; 7) Anerkennung des Rechts auf Selbstorganisation durch externe Autoritäten; und 8) verschachtelte Governance-Strukturen, die lokale Commons in breitere regionale oder globale Netzwerke einbetten. Im Gegensatz zu einem Bild der Allmende als anarchisches, regelloses Prinzip betont Ostroms Arbeit die klare Regelhaftigkeit und lokale Anpassung erfolgreicher Allmenden, die durch gemeinschaftliche Selbstorganisation geprägt sind. Diese Systeme funktionieren auf komplexe Weise – weder von oben herab noch zentralstaatlich gesteuert, sondern mit minimaler staatlicher Anerkennung und Unterstützung.
Während Ostroms Arbeit umfangreich und global war, war sie nicht erschöpfend (und erhob auch keinen solchen Anspruch). Al Mashaa’ (auch Al Masha) in der Levante-Region ist ein weiteres Beispiel für ein „Commons“-Prinzip – das besonders Partizipation und Nutzung betont. Al Mashaa’ bezeichnet gemeinschaftliches Land, das gleichmäßig unter Bauern aufgeteilt wird und erst dann entsteht, wenn gemeinsame Entscheidungen getroffen werden, es zusammen zu kultivieren. Ansprüche auf Land erlöschen, wenn die Aktivitäten enden, was dieses zu einem dynamischen Beispiel der Commons macht, das den Nutzwert über den wirtschaftlichen Mehrwert stellt und den Kultivierungsaufwand anerkennt und belohnt, der nötig ist, um Land nutzbar zu machen. Ein weiteres Beispiel sind die gemeinschaftlich verwalteten Naturschutzgebiete in Namibia, seit ihrer offiziellen Anerkennung 1998 werden erfolgreich große Landflächen verwaltet. Aktuell gibt es etwa 80 davon. Diese sogenannten Conservancies umfassen etwa 177.435 Quadratkilometer, was etwa 21,5 Prozent der Landesfläche Namibias ausmacht.
Ausgehend von Ostroms empirischen Studien zu lokal und regional begrenzten Commons haben viele Kritiker Zweifel daran geäußert, ob ihre Prinzipien der Allmende-Governance auf ökologische Herausforderungen planetaren Ausmaßes übertragbar sind. Obwohl ihre acht Gestaltungsprinzipien zur Allmende-Governance von 1990 nicht unmittelbar auf das anwendbar sind, was wir als globale Allmende (global commons) betrachten könnten, eröffnet ihr Ansatz einen Denkraum „jenseits der üblichen politischen Herangehensweisen regulatorischer Kontrolle, staatlicher Eingriffe in Marktpreissysteme und formeller Abkommen zwischen Nationalstaaten“. Die Verteidigung des Allmende-Gedankens erschüttert die individualistischen Narrative des „Jeder für sich“, die die realen Erfolge kollektiver Ressourcenverwaltung untergraben.
Autorin: Patricia Reed
- From the Cosmos to the Commons Between Stars and Signals
- Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde Aby Warburg in Zusammenarbeit mit Gertrud Bing und Fritz Saxl
- From the Cosmos to the Commons Towards the Planetary Public Sphere
- A Sculpture to Be Seen from the Sky A Living Sculpture Workshop
- Von den vielen verschiedenen „Hamburgs“ ausgehen
- Warburg’s Kosmos Wie künstlerische Konstellationen die Welt erklären
- In die Ferne blicken, um das Nahe zu sehen Eine Annäherung an das Planetarische