Glossar

Signa Data / Signa Naturalia

Die moderne Trennung von Natur und Kultur führte dazu, das Studium bedeutungsschaffender Praktiken (Semiosis) auf menschlich-kulturelle Begriffe zu beschränken: Biologie und Information galten fortan als voneinander losgelöst. Diese Spaltung begründete einen langjährigen Konsens, dass es keine mögliche Brücke zwischen geistabhängiger Erfahrung (Kultur) und geistunabhängiger Realität (Natur) geben könne – was starre erkenntnistheoretische Grenzen zwischen den „Geisteswissenschaften“ und den „Naturwissenschaften“ etablierte. Da planetarisches Denken ein durchdringendes Verständnis von „Naturkultur“ erfordert, finden sich in der Ideengeschichte vor dieser Spaltung Ansätze, die heute eine Neubewertung von Zeichen und Semiosis ermöglichen. Diese Ansätze betonen die Bedeutung von „Sinn“ sowohl für menschliche als auch nicht-menschliche Lebenswelten. Die erneute Untersuchung verschlossener Denkwege aus der Antike und dem Mittelalter eröffnet den Bereich der Zeichenbeziehungen unabhängig von der „Entstehung des Homo sapiens“, denn „eine Zeichenbeziehung ist nichts, was ex nihilo durch den Geist der Menschen geschaffen wurde“, sondern eine grundlegende Funktion der Natur selbst.

Das Wort „Zeichen“ stammt vom griechischen semeion, das historisch eine eher medizinische Bedeutung im Sinne eines Symptoms hatte: die äußere Erscheinung eines inneren Zustands. Aus diesem Erbe schöpfend, entwickelte der mittelalterliche Theologe Augustinus von Hippo eine einheitliche Theorie des Zeichens, die menschliche und natürliche Welten durchquert (mit göttlichen Motivationen), und unterteilte das „Zeichen“ in zwei Gattungen: signa data und signa naturalia. Signa data, wie unsere verschiedenen menschlichen natürlichen Sprachen, entstehen durch den absichtlichen Gebrauch sozial eingerichteter Konventionen (wie Grammatik), wobei keine wesentliche Verbindung zwischen dem Zeichen und seiner Bedeutung besteht (z. B. Wörter und ihre Referenten). Signa naturalia hingegen sind gegeben, wenn eine unbeabsichtigte materielle Bindung zwischen dem Zeichen und seiner Bedeutung besteht, die auf einer „wenn → dann“- Kausalbeziehung beruht: Wenn es Rauch gibt, dann gibt es Feuer. Indem er „kulturelle“ (oder künstliche) Zeichenbeziehungen in Dialog mit denen natürlicher „Symptome“ brachte, hat Augustinus’ Theorie der Zeichen das Denken für die Rolle von Bedeutung und/oder Information als konstitutiv für das Leben in der Biologie über Arten hinweg geöffnet.

In Weiterentwicklung des Ansatzes von Augustinus von Hippo offenbart die Entdeckung der DNA, dass genetische Information oder genetischer Code die Bedeutungsbildung innerhalb einer Zelle steuert. Dies führte zur Etablierung der Biosemiotik, in der Semiose als wesentlicher Bestandteil des Lebens selbst verstanden und die Trennung zwischen Kultur und Natur aufgehoben wird. Zeichen sind in dieser Hinsicht nicht die exklusive Domäne der menschlichen Sprache, sondern haften an den Lebenswelten von Organismen und ihren einzigartigen sensorischen Möglichkeiten und bedeutungsbildenden Praktiken. Diese Praktiken werden von einer Vielzahl nicht-sprachlicher Zeichen angetrieben, die für ihre Lebenswelten relevant sind, wie chemische und olfaktorische Zeichen (etwa die Chemie des menschlichen Schweißes aus der sensorischen Lebenswelt einer Zecke betrachtet). Im andauernden und stets diskutierbaren Streben nach den „grundlegenden Bausteinen“ unserer Welt könnte es das Zeichen sein und nicht das Molekül, das die grundlegende Einheit des Lebens selbst darstellt.

Autorin: Patricia Reed