"Die Geschichte der Himmelskunde zeigt die vielfältigen Formen menschlicher Weltansicht. In Dämonenfurcht und Magie beginnend, muß die Menschheit immer von Neuem den Weg zur abstrakten Logik der wissenschaftlichen Betrachtung durchmessen." – Aby Warburg [1]
Im turbulenten Spannungsfeld globaler und planetarischer Weltbilder bietet Aby Warburgs fast 100 Jahre alte Ausstellung im Hamburger Planetarium eine tiefgreifende, in unserer Gegenwart nachklingende Orientierung. Elliptisch angeordnet, eröffnete seine didaktische Sammlung astronomischer und astrologischer Bilder einen Dialog zwischen wissenschaftlicher und kultureller Praxis und zeichnete aus europäischer Sicht die sich wandelnde Beziehung der Menschheit zum Kosmos nach. [2] Warburgs Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde verband Erkenntnistheorie mit Mythologie und knüpfte eine Verbindung zwischen dem grenzenlos Fernen und der persönlichen, unmittelbaren Sinnstiftung des Menschen. Das Ensemble annotierter Bilder war nicht bloß eine Ausstellung über unsere kosmischen Weltanschauungen, sondern eine Meditation darüber, wie diese Weltbilder unser Selbstverständnis als Menschen prägen und wie sich dies in unserem Handeln auf Erden auswirkt. Inspiriert von Goethes Lynceus aus Faust, der sowohl „in die Ferne blicken“ als auch „das Nahe sehen“ konnte, [3] verändert die Betrachtung der „finstern Welt“ unser Selbstbild und beeinflusst, wie wir Menschen unsere Identität, unsere Rolle und unseren Platz auf Erden verstehen.
Die Weite schauen, die Nähe sehen
Eine veränderte Weltanschauung ist nicht nur das Ergebnis neu gewonnener Informationen, sondern vielmehr eine Frage dessen, wie sie die Bedingungen der Sinnstiftung neu ordnet und auch jenseits des akademischen Wissens wirkt. In der Inszenierung des Zusammenspiels zwischen Erkenntnistheorie und kulturellen Überzeugungen zeichnete Warburgs Ausstellung die Entwicklung perspektivischer Rahmenbedingungen nach, durch die ‚das Nahe sehen‘ vermittelt wird und nicht einfach nur ein Akt des bloßen Sehens ist. Sehen wird durch Wissen bedingt, das es auf bestimmte historisch geprägte, kulturell spezifische Weisen positioniert und fokussiert. [4] In unserer Zeit mögen die Klimawissenschaften mit ihren vielfältigen prognostischen Diagrammen, Grafiken und Modellen zwar Wissen über einen planetarischen Zustand liefern, doch stehen wir erst am Anfang, wenn es darum geht, die Bedeutung dieser Erkenntnisse für unsere Sichtweise auf die Welt zu erfassen. Mit anderen Worten: Wir mögen zwar abstrakt das Planetarische betrachten können, lernen aber erst, wie wir es von innen heraus sehen und aus seinen Bedingungen Sinn erschließen. Genau an diesem entscheidenden Punkt gewinnt die Bedeutung ästhetischer Praktiken für uns besondere Relevanz: Durch welche historischen Bedingungen wird unser ‚Sehen‘ geprägt? Aus welcher Perspektive vermitteln und deuten Weltanschauungen das Gesehene? Und durch welche Konzepte und/oder Annahmen ziehen wir Unterscheidungen zwischen dem Nahen und dem Fernen? Inspiriert von Warburgs wegweisender Ausstellung positioniert From the Cosmos to the Commons Kunst im öffentlichen Raum als Brücke zwischen Wissen und Erzählung, zwischen Abstraktion und Nähe, und fragt dabei, wie das Planetarische Weltbilder neu ausrichtet und welche Rolle Kunst dabei spielt, diese Neuorientierungen auf perspektivisch bedeutsame Weise zu erfahren.
Das Globale und das Planetarische
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen dem Globalen und dem Planetarischen, und es gilt sie aufzuzeigen, um zu veranschaulichen, dass sie radikal unterschiedliche Weltbilder hervorbringen. Während das Planetarische ontologisch gesehen schon immer existierte, [5] wurde es in erkenntnistheoretischer Hinsicht erst durch globales technisches und wissenschaftliches Handeln (selbst Erweiterungen euromoderner Praktiken) erkennbar. Technisch-wissenschaftliche Erfindungen, die zu einer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und dem Anstieg bedrohlicher CO₂-Konzentrationen in unserer Atmosphäre führten, sind untrennbar verbunden mit den weltweit operierenden Institutionen und den verfügbaren technischen Messgeräten, die genau dieses Phänomen aufzeichnen und modellieren können. Seit der Entdeckung, dass anthropogene Einflüsse auf die Erde ihre ökosystemischen Bedingungen grundlegend verändert haben, befinden wir uns in einer beispiellosen Situation: Zum ersten Mal in unserer Geschichte zwingt uns das Planetarische dazu, Koexistenz und Bewohnbarkeit für eine gemeinsame Umwelt zu imaginieren, obwohl wir diese Umwelt auf sehr unterschiedliche Weise erfahren und erleben, wie Sylvia Wynter schreibt. [6] Wo wir uns einst in lokal begrenzten menschlichen Gemeinschaften sahen, überschreitet die Tragweite unseres Handelns längst die lokalen Grenzziehungen. Von radioaktiven Plutoniumpartikeln, die sich durch „örtlich begrenzte“ Atomtests weltweit verbreitet haben, über Hühnerknochen als zukünftige Fossilien industrialisierter Nahrungsmittelproduktion zu den veränderten Wanderwegen der Vögel und dem kippenden Salzgehalt der Weltmeere – die komplexe Verflechtung der Erdsysteme wurde durch menschliche technisch-wissenschaftliche Errungenschaften erkennbar gemacht, doch all dies offenbart nun, dass ‚wir‘ die Architekten unserer eigenen Lebensbedingungen sind. Angesichts dieser Erkenntnis ist es, wie Dipesh Chakrabarty betont, nicht mehr ausreichend, die Geschichte als Abfolge rein menschlicher Ereignisse zu betrachten, um die Auswirkungen menschlichen Handelns innerhalb der Dynamik des Erdsystems zu erfassen. Dies zeigt unmissverständlich, dass die Trennung zwischen Menschheitsgeschichte und Naturgeschichte – eine Unterscheidung, die der europäische Aufklärungshumanismus eingeführt hat – nicht mehr haltbar ist. Diese bestimmte Weltanschauung, die menschliche Geschichte getrennt von der Naturgeschichte betrachtet, wird allerdings durch spezialisierte Fachdisziplinen immer noch aufrechterhalten. [7] Kurz gesagt: Ein globales Weltbild hält weiterhin an einer Erzählung von menschlicher Vorrangstellung und Eigenständigkeit fest, als dem Standpunkt, von und durch den wir sehen.
Planetarische Trans-Skalierung: Von einem Sandkorn zur Hydrosphäre
Während sowohl das Globale als auch das Planetarische Vorstellungen immenser Größenordnungen wecken, muss betont werden, dass das Planetarische ein trans-skalares Phänomen ist. Das Planetarische ist in „jedem Sandkorn“ als Artefakt astral-evolutionärer energetischer Prozesse enthalten, [8] ebenso wie es die weiträumigen atmosphärischen Systeme und die globalen technologischen Infrastrukturen mit ihren kontinentverbindenden Unterseekabeln umfasst. Während das Globale als Projektion menschlicher Aktivitäten auf die Erde beschrieben werden kann, erfordert das Planetarische eine Erzählung verschränkter Einbettung in dynamische Erdsysteme. Im Gegensatz zum Konzept der Projektion, das eine klare Trennung zwischen Figur und Grund voraussetzt, markiert die planetarische Verstrickung und Einbettung den Abschied von einem Weltbild, das Trennung basiert. [9] Dies zeigt sich in verschiedenen Bereichen: in unserer gegebenen Verflechtung mit geologischen Zeiträumen, in unserem Zusammenleben mit Mikroorganismen in unserem Körper und in der Art, wie unsere täglichen Handlungen entfernte Orte zu einem gemeinsamen Raum verbinden, den Menschen und andere Arten teilen. Obwohl diese verschiedenen Existenzebenen nicht ohne Weiteres unseren menschlichen Sinnen entsprechen (räumlich und zeitlich), erfordert das Erlernen, wie man diese skalaren Andersartigkeiten sieht und begreift, ästhetische Experimentierfreudigkeit – weg von einer Perspektive der Beherrschung über die Erde, hin zu einer, die von ihren komplexen Stoffwechselprozessen „besetzt wird“. [10]
Das kuratorische Programm künstlerischer Interventionen in der Stadt Hamburg beschäftigt sich nicht nur mit dem Planetarischen, sondern ermöglicht ein nahes, persönliches Sehen aus planetarischen Perspektiven. Das Planetarische mag in unseren Köpfen als epistemisches Modell existieren, jedoch lässt sich das, was beim Planetarischen auf dem Spiel steht, nicht auf Informationen darüber reduzieren, trotz der Notwendigkeit wissenschaftlicher Verfahren, es aus der Distanz zu betrachten. Da wir, wie Gayatri Spivak anmerkt, nicht in abstrakten Modellen leben, sondern Welten bewohnen, [11] stellt sich uns die Frage, wie die epistemologische Erkenntnis des Planetarischen auf der perspektivischen Ebene des Neu-Sehens unserer selbst wirksam werden kann und wie wir infolgedessen unsere Praktiken neu ausrichten. Diesen Imperativ, Praktiken neu zu denken, nennt Spivak ‚Planetarität‘, was uns eine hilfreiche Unterscheidung bietet, wenn wir von diesem Zustand sprechen: ‚Das Planetarische‘ bezeichnet einen wissenschaftlichen, epistemologischen Modus, der komplexe, miteinander verbundene Stoffwechselsysteme der Erde als Anschauung beschreibt, während ‚Planetarität‘ Veränderungen im Sehen und damit in der Sinngebung auf der Erfahrungsebene einer gemeinsamen Umwelt bedeutet. Während das Planetarische als mathematisches Modell betrachtet werden kann, bezeichnet Planetarität ein Sehen, das mit dem existenziellen Bereich der Empfindung, Erzählung und der Erfindung von Lebensformen verbunden ist. Entlang eines solchen Kontinuums unterschiedlicher, jedoch integraler Kräfte der Beziehung zum Kosmos – sowohl analytisch-mathematisch als auch kulturell bedeutsam – können wir auf Warburgs Ausstellung zurückblicken, die ein solches Kontinuum zwischen Logik und Mythos, Distanz und Nähe, Wissenschaft und Geschichtenerzählen umfasste, als Wegweiser für unsere Gegenwart und die dringende Notwendigkeit, Weltanschauungen im Lichte planetarischer Erkenntnis zu transformieren.
Was in Hamburg geschieht, bleibt nicht in Hamburg
Bei der Realisierung von Kunst im öffentlichen Raum der Stadt – für die Stadt – können wir unsere eigene planetarische Bedingung hinzufügen: dass die Bedeutung eines spezifischen Ortes sich erst durch die Betrachtung verschiedener Größenordnungen erschließt, besonders da die Linien auf einer Karte, die die Grenzen Hamburgs markieren, sowohl im Maßstab des Atmosphärischen als auch, wie wir während der Pandemie erlebt haben, des Viralen, ziemlich willkürlich sind. Was in Hamburg geschieht, bleibt nicht in Hamburg, und was in der Stadt ist, hat dort nicht unbedingt seinen Ursprung. Damit wird nicht der alte, wenig hilfreiche Gegensatz zwischen abstraktem Modell (der „Karte“) und konkreter Realität (dem „Territorium“) fortgeführt, bei dem entweder die abstrakte theoretische Darstellung oder die unmittelbare Erfahrung einseitig bevorzugt wird. [12] Stattdessen sollten beide Sichtweisen wie bei einem stereoskopischen Bild zusammengeführt werden, wobei ein tieferes Verständnis gerade aus der Verbindung beider Perspektiven erwächst. Während wir lernen, uns von globalen Weltbildern zu lösen, die auf der falschen Vorstellung beruhen, dass Menschen von der Natur getrennt und ihr überlegen sind und die Erde lediglich eine passive Kulisse für grenzenlose menschliche Bedürfnisse ist – wie könnte dieser Moment planetarischen Erkennens neue Wege des Selbstverständnisses und der Selbstdarstellung eröffnen? Welche Auswirkungen hätte diese Neubetrachtung auf die Vorstellung von „unserer“ Stadt? Und wie kann Kunst bei der Vermittlung sinnlicher Erfahrungen für diesen noch unerfahrenen Zustand des Sehens mitwirken – ein Zustand, der von erkenntnistheoretischer Lesbarkeit genährt wird, aber ohne menschlichen existenziellen Präzedenzfall ist? From the Cosmos to the Commons lädt das Publikum weniger zum Betrachten ein, sondern zum Sehen aus den planetarischen Perspektivräumen heraus, die der Wahrnehmung zugänglich werden. Wie können Kunstwerke von vorgefertigten euromodernen Traditionen abweichen, um menschliche Sensibilitäten, die in skalenübergreifende Systeme eingebunden sind, für bewohnbare gemeinsame Welten ‚vorzubereiten‘? Wie kommt man vom Readymade zum ready sein?
Jenseits der Erzählung vom ‚Menschen‘
Für Sylvia Wynter lässt sich der Anstoß für diese Trennung des Menschen von der Naturgeschichte zurückverfolgen auf die Geburt des ‚Menschen‘ – jenes Menschenmodells, das die Werte des philosophischen Humanismus verkörpert und als von der Natur losgelöst und rational überlegen gegenüber seiner Umgebung dargestellt wird. Während alle menschlichen Kulturen laut Wynter ein Menschenmodell konstruieren, um das herum und durch das sie einzigartige Lebensformen gestalten, wurde dieses spezifische europäische Modell des ‚Menschen‘ mit der kolonialen Expansion zu globalen Dimensionen aufgebläht und kam stellvertretend für ein kollektives ‚Wir‘ der gesamten Menschheit zu stehen. Dies zeigt sich im viel kritisierten ‚Anthropos‘ der Anthropozän-Bezeichnung, obwohl in Wirklichkeit die meisten Menschen nicht zum Klimakollaps beigetragen haben, dennoch wird die gesamte Menschheit in der wissenschaftlichen Terminologie zur Verantwortung gezogen. Der ‚Mensch‘ wurde zunächst über seine westeuropäischen regionalen Ursprünge hinaus bei der Kolonisierung Amerikas operationalisiert, wodurch eine künstliche Trennung innerhalb der menschlichen Gattung zwischen ihm und denen als untermenschlich betrachteten Anderen erzwungen wurde, was Herrschaftsstrukturen ‚rechtfertigen‘ sollte. Aus diesem Modell des ‚Menschen‘, das auf der Trennbarkeit von der Natur basiert, hat sich eine euromoderne Kosmologie entwickelt: Der ‚Mensch‘ wird zum Maß aller Dinge, und die Umwelt wurde nach seinem Ebenbild geschaffen, allein für seinen Komfort; der ‚Mensch‘ als eine von seinem Grund getrennte Figur impliziert ein Sehen dieses ‚Grundes‘ als träge und passiv, der nur dazu dient, seine grenzenlosen Begierden zu nähren – in dem, was Marx einen ‚metabolischen Riss‘ von der Natur nennen würde, wenn er die Auswirkungen der frühindustriellen politischen Wirtschaft auf menschliche Selbstbilder beschreibt.
Die Überrepräsentation des ‚Menschen‘ als eine global aufgeblähte, besondere Perspektive, von der aus die gesamte Welt projizierend betrachtet und verstanden wird, ist eine, die das Gleichförmige begünstigt und zum Maßstab erhebt. Mit nur einer ‚richtigen‘ Art, ‚Mensch‘ zu sein, und einer Welt, die gemäß diesem Blickwinkel gestaltet ist, führt dies zur systematischen Unterdrückung jeglicher Vielfalt: sei es Noodiversität (Vielfalt der Ideen), Biodiversität (Artensterben), Technodiversität [13], Mono-Bewertung (kapitalistische Märkte) und Maßstabsdiversität (der ‚Mensch‘ als Maß aller Dinge) [14]. Als Folge dieser homogenisierenden Existenzweise war die Beziehung des ‚Menschen‘ zur Alterität, zu dem, was unvertraut ist, von zwanghaften Neigungen durchdrungen, wenn nicht gar von offener Gewalt geprägt. Die Verurteilung oraler menschlicher Kulturen als untermenschlich gegenüber den schriftlichen Geschichten des ‚Menschen‘ ist nur ein Beispiel für ethische und erkenntnistheoretische Unterordnung, die in den frühen Phasen der globalen Expansion des ‚Menschen‘ durchgesetzt wurde. Wenn wir uns von diesem engen Menschenbild lösen, können wir neue Denkweisen entwickeln, die nicht mehr darauf ausgerichtet sind, das Fremde zu beherrschen. Dies würde uns helfen, besser mit den Herausforderungen einer gemeinsamen planetarischen Existenz umzugehen: Wie können wir das Fremde betrachten, ohne ihm vertraute Bewertungs- und Urteilskategorien aufzuzwingen? Wie können wir Andersartigkeit begegnen, ohne sie zum Anderen zu machen?
Die jahrhundertelange Verankerung des ‚Menschen‘ als Modell, durch das die Welt betrachtet wird, hat dazu geführt, dass eben dieser ‚Mensch‘ oft als unveränderliches Naturgesetz behandelt wird. Es ist jedoch entscheidend, daran zu erinnern, dass der Prozess, durch den der ‚Mensch‘ als naturgegeben erscheint, oder was als unverrückbares Naturgesetz wahrgenommen wird, auf seiner mimetischen Wiederholung in den Systemen, Strukturen, Werten und Normen beruht, die nach seinem Ebenbild gestaltet wurden und zu deren Verwirklichung wir rekursiv angeregt werden. Als Hybrid aus Bios und Mythos, unsere sogenannte dritte Existenzebene, der Bereich des symbolischen Austauschs und der Sinnstiftung, erzeugt nicht nur externe soziale Umweltbedingungen, sondern auch die subjektive, erfahrungsbasierte Verinnerlichung dieser Mythen. [15] Anstatt nach einem zeitlosen, festgelegten menschlichen Wesen zu suchen, um ‚den Menschen‘ zu erklären, fordert Wynter uns auf, uns als variables Homo narrans zu begreifen, also als Wesen, die durch ihre Selbsterzählungen Lebenswelten erschaffen und gestalten. Durch diese narrativen Implikationen des ‚Menschen‘ ist die Frage des Planetarischen weniger eine Verurteilung des Anthropozentrismus als vielmehr ein Nachdenken über Erzählweisen, die diesen begrenzten Standpunkt und Blickwinkel überwinden. Während es für den ‚Menschen‘ möglich sein mag, das Planetarische im Lichte seiner erkenntnistheoretischen Errungenschaften zu betrachten, versperren ihm genau diese perspektivischen Rahmen – die inzwischen zu bedrohlichen Hindernissen geworden sind – den Zugang, das Planetarische persönlich und nah zu sehen. Um Wynters Appell aufzugreifen: „Eine Zeremonie muss gefunden werden“, um die Selbstsetzung des ‚Menschen‘ als naturgegebene Norm und seine Deutungshoheit zu verlassen, um eingebettet in planetarische Logiken zu sehen und zu erfahren. [16] Ein Appell, der fragt, wie Welten im Gemeinsamen neu geschaffen werden können, ohne den ‚Menschen‘ als Ausgangspunkt?
Patricia Reed ist Künstlerin, Schriftstellerin, Designerin und Co-Kuratorin des Sensual Symposiums Towards the Planetary Public Sphere im Warburg-Haus, 22.6.2025.
Übersetzung ins Deutsche © Anna Katt Company · Nolte + Jacobs GbR
[1] Aby Warburg qtd. in Uwe Fleckner, “From Mythical to Mathematical Orientation: The “Cosmologicon” of the Hamburg Planetarium as a Branch of the Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg,” in Art Research Journal, vol. 9, 2022. https://periodicos.ufrn.br/artresearchjournal/article/view/29654Warburg’s quote is from a text plate accompanying the painting commissioned from his son Max Adolph Warburg: Man between abstract logic and fear of demons(1929-1930) that was displayed in the Hamburg Planetarium exhibition in 1930.
[2] Uwe Fleckner, “From Mythical to Mathematical Orientation: The “Cosmologicon” of the Hamburg Planetarium as a Branch of the Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg,” in Art Research Journal, vol. 9, 2022. https://periodicos.ufrn.br/artresearchjournal/article/view/29654
[3] Ibid.
[4] John Berger, “Ways of Seeing” https://www.ways-of-seeing.com/ch1.
[5] Jonathan S. Blake and Nils Gilman, Children of a Modest Star: Planetary Thinking for an Age of Crises, (Stanford: Stanford University Press, 2024), 8.
[6] Sylvia Wynter, “A Ceremony Must Be Found: After Humanism,” in boundary 2, 12 (Spring-Autumn 1984), 19–70.
[7] Dipesh Chakrabarty, “The Climate of History: Four Theses,” in Critical Inquiry, Vol. 35 (Winter 2009), 197-222.
[8] Lukáš Likavčan, “Searching the Planetary in every grain of sand,” in Digital Earth on Medium, 2020. https://medium.com/digital-earth/searching-the-planetary-in-every-grain-of-sand-introduction-to-digital-earth-fellowship-2020-2021-8692e5ff3a05
[9] Denise Ferreira da Silva, “On Difference Without Separability,” inLive Uncertainty: Catalogue for the 32ndSao Paolo Biennale, (2016) 57-65.
[10] Lukáš Likavčan, Introduction to Comparative Planetology, (Moscow: Strelka Press, 2019).
[11] Gayatri Chakravorty Spivak, “Imperative to Re-Imagine the Planet,” inAn Aesthetic Education in the Era of Globalization, (Cambridge: Harvard University Press, 2012), 335-350.
[12] Anna Kornbluh, Immediacy: Or, The Style of Too Late Capitalism, (London: Verso Books, 2024).
[13] Bernard Stiegler, “Noodiversity, Technodiversity: Elements of a New Economic Foundation Based on a New Foundation for Theoretical Computer Science,” in Angelaki 25, no. 4, 2020, 67-80.
[14] Zachary Horton, The Cosmic Zoom: Scale, Knowledge and Mediation, (Chicago: Chicago University Press, 2021).
[15] Sylvia Wynter, “Unparalleled Catastrophe for our Species,” (interview with K. McKittrick) inSylvia Wynter: Being Human as Praxis, ed. K. McKittrick, (Durham: Duke University Press, 2015), 59.
[16] Sylvia Wynter, “A Ceremony Must Be Found: After Humanism”.